Malu Dreyer meldete sich heute Nachmittag mit der freudigen Kunde aus dem Willy-Brandt-Haus in Berlin. Die SPD-Basis hat gewählt und sich für das Duo aus Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans entschieden. Damit hat der langwierige Prozess um die Suche nach einem Parteivorsitz ein Ende gefunden, aber die eigentlich wichtigen Fragen gilt es jetzt zu beantworten:
Wird die Groko über die volle Distanz der Legislatur fortgeführt? Gedenkt der realpolitische Flügel der SPD sich kampflos unterzuordnen? Ist die SPD imstande große Konzepte vorzulegen? Und braucht das Land eine zweite Linkspartei, wie @Marius_Raabe auf Twitter treffend sinnierte?
Das Ergebnis kam, anders als es mehrfach geäußert wurde, wenig überraschend. Da gleich mehrere links ausgerichtete Duos die Stimmen der Vorwahlen unter sich aufteilten, war davon auszugehen, dass der knappe Vorsprung von Scholz und Geywitz nicht zu halten sein würde. Und so kam es dann auch. Trotz der medial aufgebauschten Angst vor dem Ende der Groko, blieb die Basis standhaft. Ihr Votum beschert der SPD die erste Parteiführung, die glaubhaft für einen sozialpolitischen Kurs steht, seitdem die agenda2010 die Partei entzwei brach.
Dass die Wenigsten Walter-Borjans und Esken eine besondere Kompetenz zusprechen, ist an dieser Stelle tatsächlich sekundär. Will die einst stolze Volkspartei wieder an alte Wahlergebnisse anknüpfen, so muss sie die bürgerlichen Bedürnisse wieder ernsthaft in den Fokus nehmen. Mit der heutigen Wahl ist die Voraussetzung für die oft zitierte Erneuerung geschaffen, die ein Olaf Scholz nicht glaubhaft hätte verkörpern können.
Ab jetzt heißt es für die SPD: Ran an den Speck und Lösungen für die großen Fragen unserer Zeit erarbeiten! Eine Respektrente ist kein Konzept für eine zukunftssichere Alterversorgung, und ein gute-Kita-Gesetz ist kein bildungspolitischer Meilenstein.
Kurzfristig wird die SPD mit Sicherheit einen kleinen Aufschwung erleben. Gleichwohl geht der Wechsel in der Führung mit einer Hypothek und einem Risiko einher:
Die Hypothek resultiert aus der Konkurrenzsituation zur Linkspartei. Einst abtrünnig gewordene Wähler könnten wieder zur SPD zurückkehren und so den Einzug der Linken in den Bundestag gefährden. In einem solchen Szenario, das durch den Verlust von Sahra Wagenknecht befeuert wird, könnten etwa 4% linker Stimmen verloren gehen. Gemessen an jetzigen Wahlprognosen, würde eine konservativ-rechte Mehrheit aus CDU, FDP und AfD rechnerisch profitieren.
Das Risiko widerum besteht im Druck jetzt liefern zu müssen. Die SPD-Wähler erwarten echte, umfassende Entwürfe, keine kleinen Schritte. Aber als positiv eingestellter Mensch nehme ich dieses Wahlergbnis zum Anlass, um die Schlagzeile als perspektivische Chance zu formulieren:
Die SPD ist zurück!