Das Virus hinterlässt weltweit Spuren der Zerstörung. Sowohl die Zahl der Infizierten als auch die der Toten sind weit von einem Endpunkt entfernt. Mittlerweile wurden drei Millionen Fälle von Ansteckungen erfasst, mehr als 210.000 Menschen fielen der Krankheit zum Opfer.
Umso wichtiger ist es zu zeigen, dass es auch positive Entwicklungen auf Ebene der Politik gibt, die Hoffnung machen.
Lernbereitschaft
Von heute aus betrachtet, ist es ein leichtes die Fehleinschätzungen zu Beginn der Pandemie zu kritisieren, weil wir den Fortlauf der Geschichte kennen. Nur lässt sich weder die Uhr zurückdrehen, noch helfen Debatten über Risikobewertung oder unzureichende Beschaffung von Schutzkleidung bei der Bewältigung der gegenwärtigen Krise.
Stattdessen verdient es gerade vor diesem Hintergrund Anerkennung, dass die Regierung zu einem harten Kurswechsel bereit war. Im Angesicht der rasanten Verbreitung in Heinsberg und Norditalien setzte ein Umdenken ein, das zu konkreten Entscheidungen führte: Einschränkung des öffentlichen Lebens, Kontaktbeschränkungen und schließlich Maskenpflicht.
Damit stellten die politischen Entscheider von Bund und Ländern ihre Anpassungsfähigkeit und Lernbereitschaft unter Beweis, bevor es zu ausufernden Todeszahlen kam. Es mag vielen als langsamer Prozess erscheinen, aber entscheidend ist, dass angemessen auf sich ändernde Gegebenheiten reagiert wird, anstatt auf einem falschen Kurs zu beharren.
Für die Zukunft wäre es zudem wünschenswert, wenn Verantwortliche einen offeneren Umgang mit Fehleinschätzung pflegen würden. Das erhöht nicht nur die Glaubwürdigkeit, sondern auch die Akzeptanz gegenüber ergriffenen Maßnahmen.
Streitbarkeit
Mit der Ankündigung von Lockerungen ist eine hitzige Auseinandersetzung um Risiken, Maßnahmen und Rechte entstanden, wie sie in den letzten Jahren selten zu beobachten war. Ungewollt trug die Kanzlerin ihren Teil dazu bei als sie von einer „Lockerungsdiskussionsorgie“ sprach.
Mit dem belehrenden Versuch, den Überbietungswettbewerb der Länder zu möglichen Lockerungen klein zu halten, weckte sie den Kampfgeist ihrer Widersacher und stärkte das allgemeine Kritikbewusstsein bei politischen Beobachtern: ein Paradebeispiel für den Streisand-Effekt.
Abgesehen davon profitiert die Debatte enorm vom stetig steigenden Informationsstand in der Bevölkerung, bei den Berichterstattern und Politikern. Während die ersten Diskussionsrunden zum Thema Coronavirus noch recht unbeholfen verliefen, und sowohl Zuschauer als auch Teilnehmer an den Lippen der Virologen klebten, herrscht mittlerweile reger Austausch. Es wird über Bedingungen von Maßnahmen, Zusammenhänge, alternative Herangehensweisen und anvisierte Ziele diskutiert.
Die Parteien heben sich deutlich von einander ab, setzen klar erkennbare Schwerpunkte. Es führt zwar auch dazu, dass die Zahl abwegiger, radikaler und „bekloppter“ Forderungen zunimmt, aber das hängt auch mit dem schmalen Handlungskorridor zusammen.
Insgesamt bleibt zu hoffen, dass die frisch erworbene Vielfalt der Sichtweisen auch auf die Zeit nach Corona abstrahlt, und nicht im kurz getakteten Nachrichtenalltag verloren geht.
Europa
Die Europäische Union musste in der jüngeren Vergangenheit viel Kritik einstecken. Die mangelnde Bereitschaft ihrer Mitglieder, zu gemeinsamen Problemlösungen zu kommen, ließ sie wiederholt als unvereinbare Staatengemeinschaft erscheinen.
Mit ihrem geplanten Hilfspaket zeigt die EU jedoch, dass sie sehr wohl in der Lage ist zukunftsfähige Instrumente zu entwickeln. Dabei ist die in Aussicht gestellte Geldsumme tatsächlich nachrangig. Viel bedeutsamer ist die Art und Weise, wie die Mittel organisiert werden sollen.
Der aktuelle Entwurf sieht vor, dass gleich mehrere Institutionen beteiligt werden, die Kommission, der ESM und die Europäische Investitionsbank. Insbesondere die Beteiligung der Kommission wäre bemerkenswert. Ausgestattet mit Garantien der Mitglieder (die auch den maximalen Deckel festlegen würden) könnte sie zu günstigen Konditionen eigenständig Kredite aufnehmen.
Das würde nicht nur die Eigenständigkeit der Kommission stärken. Es böte auch den Vorteil, dass Hilfen in Notsituationen schneller gewährt werden könnten. Aber egal, ob die Kommission, der ESM oder die Investitionsbank gestärkt werden, alle Institutionen reduzieren die Risikolast einzelner Mitglieder und erreichen eine finanzielle Hebelwirkung (Vergleichbar mit der Eigenkapitalquote von Banken).
Wenn die Vertreter der EU jetzt noch die Bedeutung von politischen Symbolen verinnerlichen, wie Frau von der Leyen mit ihrer Entschuldigung an Italien vormachte, ist die EU auf einem guten Weg.
[Für eine ausgiebige Analyse der europäischen Situation empfehle ich die Phoenixrunde „Europa in der Coronakrise – Ist sich jeder selbst der Nächste?“]