Am Montagabend widmete sich das ARD-Team um Frank Plasberg dem Thema Clankriminalität in Deutschland(1). Damit griff die Sendung ein Problem auf, das in den letzten Monaten immer wieder für Schlagzeilen sorgte, aber im öffentlichen Diskurs von anderen Fragen überlagert wurde.
Ins Studio geladen waren ein Sicherheitsdienstleister (Hr.Kuhr), eine Staatsanwaltin (Fr.Leister), ein Innenminister (Hr.Reul), ein Investigativjournalist (Hr.Sundermeyer), ein Politiker & Angehöriger eines Clans (Hr.Omeirat) sowie ein Rechtsanwalt (Hr.Benecken). Die Gästeauswahl erwies sich im Verlauf der Auseinandersetzung als kontrast- und aufschlussreich.
Die Hintergründe
Zur Einleitung wurde ein Videoschnitt der medial bekannt gewordenen Verbrechen(2) präsentiert, der verdeutlichte, dass es sich um kriminelle Strukturen beachtlichen Ausmaßes handelt. Die Gäste komplettierten im Anschluss mit ihrer Sichtweise das allgemeine Lagebild:
Staatsanwältin Leister und der Sicherheitsdienstleister Kuhr informierten über die Entstehung des Phänomens und machten auf die gesellschaftspolitische Dringlichkeit aufmerksam. Reporter Sundermeyer stellte die Bedeutung gegenseitigen Respekts für seine Arbeit im Umfeld der Clans heraus. Politiker Omeirat erzählte von seinem steinigen Werdegang in Richtung eines rechtschaffenden Bürgers und warb mit Rechtsanwalt Benecken darum die arabischen Großfamilien nicht unter Generalverdacht zu stellen. Letzterer ging sogar soweit den Behörden eine Art Vorverurteilung zu unterstellen, indem politischer Druck auf die Exekutive zu überzogener Beobachtung führe.
Der Konflikt
Mit der Befragung des Innenministers Reul entstand in der Folge die erste Auseinandersetzung um die Deutungshoheit. Dem Vorwurf der Pauschalisierung ausgesetzt, verwies Reul auf die riesigen strukturellen Probleme. Gewachsenen Parallelgesellschaften in städtischen Milieus wie Essen müsse er sich als Verantwortlicher stellen. Unangenehm fiel an diesem Punkt der Clan-Angehörige Omeirat auf. Sein Versuch Reuls Aussagen zu kriminellen Familien in eine Ächtung von Familiennamen umzudeuten mutete deplaziert an. Im Verlauf des Abends entpuppte sich diese Haltung jedoch als handfeste Strategie. Nahezu jedem Gast setzte er seine eigene Darstellung entgegen und zog diverse Male die Opferkarte.
Dem Verweis Kuhrs, dass Zeugen bei Gerichtsverfahren unter Druck gesetzt werden, begegnete Omeirat mit der Frage, ob er persönlich bedroht worden sei. Den Ausführungen Leisters, dass es eine systematische Einschüchterung gebe, stellte er die Aussage anbei, der Staat habe für die Sicherheit seiner Bürger zu sorgen.
Die Stärken
Die Tatsache, dass die Diskussion an diesen Stellen nicht fest fuhr war zwei Aspekten zu verdanken. Zum Einen trugen die Gäste mit ihrem Expertenwissen zur Versachlichung bei und unterbanden damit ideologische Grabenkämpfe wie sie gerne in reinen Politikerrunden entstehen. Zum Anderen lockerten kurze, informative Videobeiträge und die Moderation Plasbergs immer wieder die Runde auf.
So konnte der neutrale Zuschauer einem spannenden Austausch folgen, in dem die Kritiker der arabischen Clans den Finger immer wieder in die Wunde legten, ohne dabei hysterisch oder voreingenommen zu wirken.
Journalist Sundermeyer erwehrte sich des Vorwurfs Teil einer medialen Hetzjagd auf arabische Familien zu sein. Er hatte über die Beerdigung eines kriminellen Clan-Mitglieds berichtet, die mit 2000 Besuchern einer Großveranstaltung glich. Seinen Kontrahenten, Rechtsanwalt Benecken, entwaffnete er gelassen und stellte die Absurdität der Anschuldigungen deutlich heraus. Auch an Frau Leister biss sich der Jurist die Zähne aus. Beneckens Provokationen verhallten ungehört und evozierten nicht die gewünschte Reaktion. Im Gegenteil, die Staatsanwältin blieb konstant unaufgeregt und bereicherte mit ihren Schilderungen die Gesprächsrunde.
Lösungsansätze & Eskalation
Zum Ende der Sendung wurden die Lösungsansätze in den Mittelpunkt gestellt. Die große Spannbreite von Integration bis zu härterem Durchgreifen forderte hier ihren Tribut. Der Ton wurde rauer, und Vermittlungspositionen wie die des Ministers Reul „wir müssen uns kümmern“ traten in den Hintergrund. Zwar wollte niemand verneinen, dass der Staat, die Behörden und die Gesellschaft bei der Aufnahme vorwiegend libanesischer Flüchtlinge in den 80ern Fehler gemacht hatte, aber diese Feststellung löse -so die einheitliche Meinung der Kritiker- keines der Probleme.
Zwischen Minute 46 und 55 kam es zu hitzigen Szenen. Maßgeblich angetrieben durch den fragwürdigen Auftritt Omeirats. Als Familienmitglied eines Clans und Politiker hätte der Zuschauer von ihm erwartet deutliche Distanz zu zeigen, sowohl zu kriminellen Einzelfällen, als auch zu den strukturellen Problemen. Stattdessen stellte er sich denjenigen in den Weg, die die Probleme beim Namen nannten. Die Aussage „Wer in seinem wording so eine Art framing wie ´Clan` betreibt, der meint es mit der Integration nicht ernst, Herr Reul.“ bildete den Anfang seiner Ausführung.
Auf die Frage von Herrn Plasberg, ob er alternative Vorschläge zu dem Begriff ´Clan`hätte, erwiderte er, dass der Blick auf bestimmte Nationalitäten, nur Minderheiten wie z.B. die Roma meine. Eine Antwort gab er keine. Zwei Minuten später stellte er dann die Frage in den Raum, inwieweit die Debatte rassistisch sei. Nur gut, dass Reul die passende Antwort fand: „Sie tun ihrem eigenen Anliegen keinen Gefallen, und ihrem eigenen Lebensweg. Ernsthaft, sie haben bewiesen, dass es geht. Schützen sie nicht die anderen.“
In der Tat, leistete Omeirat sich und anderen redlichen Clanmitgliedern damit einen Bärendienst. Ohne ihm persönlich Verwicklungen in die Unterwelt zu unterstellen, muss an dieser Stelle konstatiert werden: Wenn der bürgerliche Arm dieser arabischen Großfamilien, keine deutliche Abgrenzung findet, dann haben wir alle ein riesiges Problem. Es zeigt, dass die aktuelle Form der Integration so nicht funktionieren kann. Sie mutet in Momenten wie diesen einseitig an.
offene Fragen
Für den Ausblick, was Deutschland erwartet und welche Mittel benötigt werden, bot Sicherheitsmann Kuhr die schlüssigste Einschätzung. Er sprach offen an, dass die Rechtsprechung bei Kapitalverbrechen zu lasch ist. Viel zu oft würden Kompetenzen nicht ausgeschöpft und dadurch entstehe ein Mangel an Respekt. Speziell die Abschiebung von schwerstkriminellen Ausländern müsse endlich forciert werden „Das schreckt ab! Davor hat man Angst“.
Im Hinblick auf die „Flüchtlingswelle“ ergänzte er: „Wenn die hier mitbekommen, was die hier alles machen dürfen, was die davor schon gemacht haben, und können nicht abgeschoben werden…das wird Ausmaße annehmen“.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Problematik ´Clankriminalität` durchaus präzise beschrieben wurde. Aber jenseits der Forderung nach besserer Förderung von Flüchtlingen, und intensiverer Verfolgung bzw. härterer Bestrafung von Kriminellen wurden keine neuen Ergebnisse präsentiert. Ich persönlich frage mich, ob eine Eindämmung überhaupt mit rechtsstaatlichen Mitteln zu erreichen ist. Westliche Demokratien haben in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, wie schwierig es für sie ist jeglicher Form von Gruppenkriminalität Herr zu werden. Das gilt für Wirtschaftskriminalität genauso wie für extremistische Vereinigungen, Rockerbanden oder die Mafia.
Im besonderen Fall der Clans kommt erschwerend hinzu, dass die Loyalität durch Blutsverwandtschaft deutlich höher ist als bei anderen Gruppierungen. In ihre Strukturen einzudringen und Informationen zu erlangen ist dementsprechend schwieriger.
Abschließend sollte noch erwähnt werden, dass zwei wesentliche Aspekte nicht thematisiert wurden. Erstens die Rolle der Paralleljustiz, d.h. die Funktion der Friedensrichter, die zwischen den Clans vermitteln. Zweitens die Rolle der Kultur und Religion beim Anwerben Außenstehender für kriminelle Tätigkeiten.
(1) Hart aber Fair: Das kriminelle Netz der Clans – sind Justiz und Polizei machtlos?
http://mediathek.daserste.de/Hart-aber-fair/Das-kriminelle-Netz-der-Clans-sind-Jus/Video?bcastId=561146&documentId=57608604
(2) Raub in Sparkasse:
https://www.berliner-zeitung.de/berlin/polizei/arabischer-clan-vier-jahre-nach-sparkassen-einbruch-schlaegt-die-polizei-zu-30984640
Raub in Kaufhaus:
https://www.morgenpost.de/bezirke/tempelhof-schoeneberg/article212888239/KaDewe-Raub-Lange-Haft-fuer-Mitglied-von-Grossfamilie.html
Raub einer 100kg Goldmünze:
https://www.berliner-kurier.de/berlin/polizei-und-justiz/spektakulaerer-goldmuenzen-raub-mitglieder-von-clan-familie-angeklagt-31453062