Am Abend des 4.4. hatte ich die Möglichkeit den World Leadership Summit in Köln zu besuchen. Prominentes Aushängeschild der Veranstaltung war der ehemalige Präsident der USA, Barack Obama. In einem 60-minütigen Interview stand er Rede und Antwort zu persönlichen-, politischen- und Führungsfragen. Doch auch abseits des, alles überstrahlenden VIPs präsentierten sechs namhafte Redner, Autoren und Coaches ihre Anschauungen und Ansätze.
Es war ein insgesamt gelungener Abend mit abwechslungsreichem Programm. Um ein gewisses Maß nicht zu überschreiten, und dem Auftritt Obamas genügend Raum zu geben, beschränkt sich mein Artikel im Folgenden allerdings auf das Interview.
Obama in Köln
Bevor Barack Obama in die Manege gelassen wird, wartet der Veranstalter mit einer kleinen Überraschung auf. Seine Schwester, Amou Obama, die im Verlauf des Abends noch ihr Hilfsprojekt in Kenia vorstellen darf, kündigt ihren Bruder Obama an. In perfektem Deutsch schickt die promovierte Germanistin ihrem Bruder ein paar warme Worte voraus, und sorgt so für allgemeine Begeisterung. Die Menge ist bereit, und der Protagonist betritt die Bühne.
Mit einer humoristischen Überleitung, dass man seiner Schwester nicht alles glauben dürfe, und Geschwister nicht immer die Wahrheit über einen erzählen würden, beginnt Obama seinen Auftritt. Es zeigt, dass der Polit-Profi, auch nach dem Ausscheiden aus dem Präsidentenamt, nichts von seiner Leichtigkeit verloren hat. Das souveräne Umschalten zwischen sympathischer Lockerheit und gebotener Seriosität war stets seine Stärke, und hat auch heute großen Anteil an seiner charismatischen Wirkung.
Das Publikum frisst ihm buchstäblich aus der Hand, und lauscht seinen Erzählungen aus dem Privatleben ebenso gespannt, wie seinen Ausführungen über Politik und Gesellschaft.
nach dem Weißen Haus
Schnell wird klar, dass es sich bei Obama nicht um einen Polit-Privatier handelt, der die Zügel gänzlich aus der Hand gegeben hat. Er könne sich schlecht vorstellen nichts zu tun. Schließlich sei er einer der jüngsten Präsidenten der US-Geschichte und damit auch einer der jüngste Ex-Präsidenten. Angesprochen auf seine Obama Foundation, skizziert er die Grundlagen und Zielsetzungen seiner jetzigen Tätigkeit. Die stehe vor allem im Dienst der Jugend, denn Wandel sei nicht das Werk einzelner Personen.
Obama versteht sich in seiner Rolle als Vermittler, der gleichermaßen vernetzt, ein Forum bietet und Wissen an die nächste Generation weitergibt. Zu diesem Zweck unterstützt seine Foundation insbesondere junge Führungskräfte bei ihrem Einstieg in die Arbeitswelt. Er verrät, dass eine der wichtigsten Lehren aus seiner eigenen Erfahrung sei, zuzuhören, denn jeder Mensch habe Geschichten, Erfahrungen und Träume zu teilen.
Es ist eine klassisch liberale Sicht auf Politik, die Obama hier darlegt. Im Kern geht es dabei um die Repräsentation von Bürgerinteressen, oder dem Kampf gegen Ungerechtigkeiten – wie er es formuliert. Welche Ungerechtigkeiten er diesbezüglich genau im Blick hat, kann an diesem Abend oft nur zwischen den Zeilen gelesen werden. Eine wichtige Ausnahme bildet allerdings die Gleichstellung von Mann und Frau, die er explizit mehrfach im Verlauf des Gesprächs thematisiert. Zu deren Umsetzung bietet er mehrere Vorschläge an:
- Es brauche mehr Frauen in Führungspositionen
- Männliche Chefs sollten aufmerksamer sein für Situationen, in denen Frauen über den Mund gefahren würde oder deren Vorschläge wiederholt würden
- Chefs sollten gezielt Frauen im Team nach ihrer Meinung fragen
- Bei der Erziehung solle darauf geachtet werden, dass kein Raum für ein Weltbild mit geschlechterspezifischen Privilegien oder Nachteilen entstehe.
Seine Herangehensweise ist pragmatisch. Sie kommt einer Hilfe zur Selbsthilfe gleich, die im Englischen durch den schönen Begriff empowerment abgebildet wird. Dafür ist Obama selbst schließlich das perfekte Beispiel, denn er hat sich als Angehöriger einer afroamerikanischen Minderheit, und aus einfachen Verhältnissen bis an die Spitze seines Staates gekämpft.
Er wirkt immer authentisch, wenn er mit großen Begriffen und Referenzen arbeitet, die bei anderen eher als Worthülsen wahrgenommen werden. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Moment als er über das Civil Rights Movement spricht, das ihn persönlich immer noch inspiriere.
Erfahrungen als Präsident
Insgesamt finden seine Erzählungen über die Zeit im Weißen Haus aber etwas mehr Anklang, denn viele der Anwesenden sind gekommen, um für ihren Arbeitsalltag als Verantwortungsträger und Führungskräfte dazu zu lernen. Dieser Anforderung kommt Obama vorbildlich nach, indem er jede Situation und Entscheidung aus seiner persönlichen Perspektive schildert, ohne den Blick auf den großen Rahmen zu vernachlässigen.
Auf die Frage, welche Erkenntnis Außenstehende über das Präsidentenamt überraschen würde, entgegnet er lebensnah, dass Menschen nicht das tun würden, was man ihnen sagt. Einen kurzen Exkurs über den Unterschied von Monarchie und Demokratie lässt er in der Folge mit einer Anekdote ausklingen:
Nach seiner Amtseinführung habe er Bob Gates als erfahrenen Politiker gefragt, was er über die Verantwortung als erster Mann im Staat wissen müsse. Gates habe ihm geantwortet, dass er für Millionen von Arbeitnehmern und ein Finanzvolumen von etwa 1,5 Billionen Dollar verantwortlich wäre. Es gäbe also jeden Tag Menschen, die groben Bockmist bauen würden. Obama müsse nun als Chef dafür geradestehen.
Geduld führt Obama an, Geduld sei eine, der wichtigsten Qualitäten, über die ein Präsident oder eine Führungskraft verfügen müsse. Dies gelte für den Umgang mit Fehlern, ebenso wie für die Gestaltung von Politik. Um etwas zu bewirken brauche es Zeit, und die Veränderung der gemeinsamen Kultur. Dieser Prozess ließe sich nur dann beschleunigen, wenn man sich mit Personen umgebe, die die gemeinsamen Visionen teilen.
Neben den selbst gesteckten Zielen, stellt der Alltag einen Präsidenten aber auch vor viele schwierige Entscheidungen, die aus unvorhergesehenen Situationen entstehen. Die Fragen, welche Entscheidungen besonders schwer gewesen seien und wie er schwierige Probleme lösen würde, beantwortete Obama besonders umfassend. Zunächst sei jedes Problem in gewisser Weise schwierig, denn sonst würde es ja bereits eine Lösung dafür geben. Mit der Zeit hätte er ein besseres Gespür dafür bekommen, dass es um die Bewertung von Wahrscheinlichkeiten gehe.
Er setzt bei der Bewältigung der Finanzkrise in den USA an, und führt aus, wie zahlreich die Handlungsoptionen gewesen seien. Von der Verstaatlichung bis hin zum Vertrauen auf die Selbstheilungskräfte des Markts habe es viele Möglichkeiten gegeben. Jeder einzelne Vorschlag hätte Risiken und Chancen beinhaltet, und zu unterschiedlichen Anteilen Erfolg, Ungewissheit und Schaden verheißen.
Er füttert seine Darlegungen mit weiteren Beispielen, wie der 50-50 Chance Osama bin Laden am Tag seiner Erschießung tatsächlich anzutreffen, oder den Einsatz von Drohnen, um die Wahrscheinlichkeit ziviler Opfer zu reduzieren. Dabei spielt sein Pragmatismus erneut eine wichtige Rolle, denn es sei bei allen Entscheidungen wichtig, die Welt stets so zu betrachten wie sie ist. Die Sicht und Handlung alleine darauf zu richten, wie die Welt sein sollte, bezeichnet er hingegen als Phantasie.
Es gelte die Balance zu wahren, einerseits Ziele zu verfolgen, und andererseits die Grenzen der Veränderung wahrzunehmen. Diese politische Anschauung fasst er mit den Worten zusammen „Better is better than not better“.
Vorsicht, Charismatiker!
Es gab an diesem Abend noch einige spannende Geschichten, Themen und Anekdoten, die es wert gewesen wären darüber zu berichten. Wichtiger erscheint es mir aber zum Abschluss noch eine eigene Beobachtung anzufügen:
Barack Obama ist zweifelsohne eine, der positivsten, politischen Erscheinungen der letzten Jahre. Er hat viele wichtige Entwicklungen angestoßen (Krankenversicherung, Klimaabkommen etc.), vermittelte Nähe und Mitgefühl und trug zur Versachlichung von politischen Entscheidungen bei.
Nur besteht bei charismatischen Menschen immer die Gefahr einer moralischen Verklärung des tatsächlichen Geschehens. Gespräche am Abend und der frenetische Jubel haben mich daran erinnert.
Auch Obama ist nicht alles gelungen (Guantanamo). Er hat nicht nur gute Entscheidungen getroffen (Libyen, Syrien).
Es ist unsere Aufgabe als mündige Bürger, trotz Sympathien einen klaren Kopf zu bewahren. Jeder Verantwortungsträger sollte an denselben Maßstäben gemessen werden, unabhängig davon ob wir ihn mögen oder nicht.